Buchrezension: Das Gladbach-Trikot
Stefan Appenowitz ist denjenigen, die sich für deutschsprachige Trikotbücher interessieren, wohl bestens bekannt. Mit dem Trikotbuch zur deutschen Bundesliga hat er 2018 das erste nennenswerte Trikotbuch in deutscher Sprache herausgebracht. Nun hat er sich mit Matthias Gorke und Stefan Hermanns zusammengetan und ein weiteres Buch über die Dressen seinen Herzensklubs Borussia Mönchengladbach verfasst.

Das Gladbach-Trikot ab 1900
Schon seit der Veröffentlichung seines Trikotbuchs über die Deutsche Bundesliga (zu meiner Rezension) war klar, dass das noch nicht das Ende der trikottechnischen Publikationen Appenowitz‘ sein wird. Nach einer corona-bedingten Verschiebung kam nun in Zusammenarbeit mit zwei weiteren Autoren das Trikotbuch über „seine“ Borussia im Werkstatt-Verlag heraus.
Und rasch ist erkennbar, dass sich die drei Autoren gut ergänzen: Stefan Hermanns als Journalist mit Zugriff zu tollen Geschichten und Fotos aus der Vergangenheit (immer das größte Problem bei Trikotbüchern!), Matthias Gorke mit seiner Sammlung und dem Detailwissen über Borussia-Trikots und zu guter Letzt Stefan Appenowitz, der einerseits mit dem Thema Trikotbücher nach seinem Erstling zur deutschen Bundesliga bestens vertraut ist und die ins tiefste Detail gehenden Themen rund um Trikotsponsoren und Ausrüster behandelt.
Behandelt das erste Kapitel noch gesammelt die Jahre von 1900 bis 1970, so wird ab dann in Zehn-Jahres-Schritten die Trikotgeschichte erzählt. Als jemand, der den Verein nicht so intensiv verfolgt, lerne ich auch so einiges aus der Geschichte des Vereins, die wissenswerten Details zu den Trikots werden zumeist geschickt in den Text mit eingebunden.

© Die Werkstatt-Verlag
Sponsoren und Ausrüster werden intensiv behandelt
Neben den qualitativ hochwertigen Aufnahmen einzelner Trikots werden Sponsoren und Ausrüster eine hohe Bedeutung beigemessen. Besonders die Geschichten über die diversen Auftragsproduzenten sind spannend zu lesen. Über viele Jahre hinweg wurden Trikots nämlich von anderen Firmen produziert als von denjenigen, deren Logo auf dem Trikot prangte. Besonders die Geschichten über Sport-Erdweg sind dadurch interessant, durch die Interviews mit Protagonisten von früher liefert das Buch auch einen guten Einblick in die Trikotproduktion und -abwicklung der guten, alten Zeit.
Es sind zum Teil sicherlich auch sehr „nerdige“ Themen, die ich jedoch sehr gerne lese als jemand, dessen intensive Beschäftigung mit Trikots verstärkt aus der Sponsoring- und Marktforschung entstanden ist. Ein Trikotbuch ist für mich nicht ein einfacher Bildband, gepaart mit Geschichten, die sich dann nicht um das Trikot selbst drehen – es gibt genug dieser Werke. Dennoch sehe ich es auch für AnfängerInnen geeignet, da genug Bebilderungen zu finden sind, die entsprechend beschriftet sind.
Was hingegen zeitweise negativ beim Lesen des Buches auffällt ist, dass ein Thema angesprochen wird und nur wenige Seiten danach werden Informationen erneut in identer Form wiedergegeben. Besonders am Anfang des Buches ist das einige Male der Fall, so zum Beispiel bei der Sponsoring-Geschichte rund um Erdgas oder weit später auch bei der Postbank. Mir hätte hier eine durchgehend chronologische Erzählung mehr zugesagt, als einzelne Epochen oder Exkurse zwischendurch zu behandeln – so hätte man sich die teils doch mühsam lesbaren Doppelungen erspart.
Die Reise eines Trikots – Geschichten, die man lesen möchte
Wirklich schön sind dann die Geschichten, wo die Reise eines Trikots erzählt wird: So fand ein Matchworntrikot der Borussia in den 1980er-Jahren beispielsweise seinen Weg zu einem Fan in der DDR – der das Trikot aus dem Land des Staatsfeindes jahrelang nur heimlich bestaunen durfte. Noch dazu war es ein äußerst seltenes Exemplar aus dieser Zeit.
Gut rübergebracht wird in Interviews mit Spielern, wie bedeutungslos Trikots über viele Jahrzehnte hinweg waren. Da lag ein Trikot in der Kabine, welches angezogen werden musste. Einige gefielen besser, andere schlechter. Dass manchmal sogar einzelne Details anders waren oder Gladbach mit Puma-Trikots und notgedrungen mit geliehenen Adidas-Hosen auflaufen musste, veranschaulicht die unbeschwerten Zeiten vor der totalen Verkommerzialisierung sehr gut. Auch Medien zeigten verhältnismäßig wenig Interesse an den Veränderungen.

© Die Werkstatt Verlag
Fazit
Ein lange erwartetes Buch in der Szene – und die Wartezeit hat sich definitiv gelohnt. Neben der schönen Aufmachung des fußballpublizistisch deutlich erfahreneren Werkstatt-Verlages gibt es zahlreiche Geschichten über die Trikots der Borussia zu lesen.
Appenowitz hat im Interview mit trikotgeschichten.at im Frühsommer definitiv nicht zu viel versprochen, besonders die detailreichen Geschichten über Auftragsproduzenten bilden etwas ab, das ich in einem anderen Trikotbuch noch nicht gelesen habe. Einzig störend sind die angesprochenen Wiederholungen, die meiner Meinung nach durch eine durchgehend chronologische Ordnung vermieden hätten werden können.
Dennoch ist das Buch definitiv eine Messlatte für weitere Werke aus dieser Sparte. Nahezu zeitgleich kam ein Trikotbuch über den FC Bayern heraus, Anfang 2022 folgt der Hamburger SV – bleibt abzuwarten, was diese beiden Werke bieten, Rezensionen folgen.
Erhältlich ist das Buch direkt über den Werkstatt-Verlag, der Preis beträgt 29,90 Euro.
Kategorien