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Buchrezension: Alle Bayern-Trikots von 1900 bis heute

Nach und nach werden neue Trikotbücher deutscher Clubs herausgebracht. Neben den Borussias aus Dortmund und Mönchengladbach gibt es nun auch ein Werk über die Trikothistorie des Rekordmeisters aus Bayern.

Die Trikotgeschichte der Bayern – von Blau-Weiß zu Rot

Bereits seit über 120 Jahren ist der deutsche Fußballrekordmeister aktiv. Raimund Simmet machte es sich zur Aufgabe, die Trikotgeschichte der Münchner aufzuarbeiten. Und gleich die erste Grafik (das Buch besteht ausschließlich aus Trikotgrafiken) zeigt, dass auch international große Vereine bereits die Farben wechselten: Das erste Trikot ist nämlich in Blau-Weiß gehalten, die Farben von Bayern – und die des Stadtrivalen 1860 München. Erst später übernahm man das heute bekannte Rot. Neu war für mich, dass es bei den Bayern beispielsweise ab 1923 nur „verdienten Akteuren“ möglich war, ein Wappen zu tragen.

Das „Wiener Modell“ als wichtiger Teil der Vereinshistorie – mit großem Bezug zum SK Rapid?

Nach den ersten Seiten konnte mich eine Geschichte dann doch etwas überraschend fesseln. Es geht um einen Fakt, der mit dem SK Rapid zu tun hat und von dem ich vorher noch nie gehört hatte: Von 1931 bis 1965 trug der FC Bayern das sogenannte „Wiener Modell“. Ein silbergrau-weinrotes Trikot, zu dessen Namensgebung es drei Theorien gibt. Die laut Autor Raimund Simmet wahrscheinlichste Variante besagt, dass der FC Bayern „dem seinerzeit überragenden Wiener SC Rapid nacheifern wollte, dem Gewinner des Mitropapokals von 1930, der damals höchsten Trophäe im europäischen Vereinsfußball. Die Wiener Spieler trugen diesen Trikottyp, jedoch invertiert mit Rapid-typisch grüner Spielkleidung, weißen Ärmeln und dem charakteristischen Kragen in Grün-Weiß.“

Dass die Theorie nicht unrealistisch erscheint, unterstreicht auch eine Aussage des damaligen Clubpräsidenten Kurt Landauer im Jahr 1929 in den Clubnachrichten des FC Bayern, zitiert aus dem Ausstellungskatalog des Rapideums: „Wir Süddeutsche sind gerade mit unseren östlichen Nachbarn sportlich aufs engste verbunden gewesen, diese Spiele gehörten immer mit zu den schönsten und lehrreichsten. (…) Wem wäre das Spiel gegen Rapid Wien Weihnachten 1919 hier nicht noch in bester Erinnerung?“

Groß dargestellt auf der linken Seite: Besagtes Wiener Modell aus dem Jahr 1931
(Leseprobe aus dem Werkstatt-Verlag)

Über 1100 Trikotgrafiken als Besonderheit des Buches

Das Buch besteht aus über 1100 Trikotgrafiken. Laut Einleitung arbeitet der Autor seit Jahren daran, diese akribisch nachzubilden. An aufwendigen Kits habe er teilweise einen ganzen Tag lang gearbeitet, an einfacheren Stücken zwei bis drei Stunden. Es sind hier auch jeweils Hosen und Stutzen dabei. Ein Detailreichtum in sehr guter Qualität. Interessant sind auch Infoboxen zu Sponsoren oder auch Trikot-Technologien, wie die 1986 eingeführten Adidas-Trikots „Climalite 2000“ – diese habe ich anderswo noch nicht in der Form gefunden. Auch Ausrüster aus den ersten Jahrzehnten finden sich im Buch, ebenso wie Detailgrafiken einiger Labels im Nacken. Interessant ist auch der Aspekt, dass ab 1991 langsam eigene Trikots für Bayern gestaltet wurden – und keine Stangenware mehr. Hier spricht der Autor Details an, die man eher selten in Trikotbüchern findet. Simmet spricht dabei von der „Ära der Design-Trikots“, auch werden Trikots ab dieser Zeit erstmals als „Home“ und „Away“ bezeichnet. Am Ende des Buches finden auch noch vereinzelte Torhüter-, Frauen- und Amateurtrikots Platz.

Die Grafiken sorgen für eine schöne Vereinheitlichung im Buch, welches dadurch vielleicht mehr ein Katalog wird, als andere Trikotbücher. Es ist nämlich eher grafik- als textlastig, jedoch ist das ehrlicherweise auch der Zugang, mit der man wohl verstärkt die Allgemeinheit anspricht. Was mir persönlich dann doch etwas abgeht, sind Gespräche mit Sammlern, Vereinslegenden oder beispielsweise Personen von Adidas, die seit fast 50 Jahren für die Trikots des Vereins verantwortlich sind und auch einen großen Einfluss im Verein haben. Es hätte etwas mehr Emotion in das Buch gebracht, ebenso wie Fotos von Spielszenen.

Nichts desto trotz gibt es zwischendurch historische Abrisse wie oben angeführt, die zu gefallen wissen. Weiters gibt es interessante Geschichten, die oft auch in den internationalen Kontext gestellt werden, wie zum Beispiel die Geschichte der Rückennummern auf Fußballtrikots und beim FC Bayern. So spricht Simmet davon, dass 1928 zum ersten Mal Rückennummern in England gesehen wurden, ab 1948 wurden sie mit Ausnahme des 1. FC Nürnberg in der obersten Spielklasse Deutschlands eingeführt.

Ein Beispiel dafür, wie akribisch die Unterschiede einer einzigen Trikotvariante im Buch aufgezeigt wird
(Leseprobe aus dem Werkstatt-Verlag)

Fazit

Der oben angesprochene Punkt, dass ich Emotionen vermisse, mag jetzt negativer klingen, als es sein sollte. Ich habe sehr gerne durch dieses Buch geblättert und gelesen, da es wirklich schön einheitlich aufgebaut ist und wahnsinnig viel Detailliebe in dem Buch und besonders in den Grafiken steckt. Es sind Details, die den meisten nicht einmal auffallen würden – Simmet hat alle selbst nachgebastelt und hochqualitativ in seinem Buch dargestellt.

Für mich ist es auch immer wichtig, dass bestimmte Phänomene rund um Trikots (wie zum Beispiel die Rückennummern oder der Beginn des Sponsorings) in nationale und internationale Relation gesetzt werden – das ist hier definitiv der Fall. Vor allem Bayern-Fans von Jung bis Alt werden mit diesem Werk sehr glücklich werden, es lässt über die Dressengeschichte des Vereins keine Frage offen.

Mir fehlt wie angesprochen ein wenig die Emotion, die durch Interviews wohl stärker herübergekommen wäre, dennoch habe ich dieses Buch sehr gerne angesehen und gelesen und kann es auch Nicht-Bayern-Fans weiterempfehlen.

Das Buch erschien 2021 im Werkstatt-Verlag, umfasst 352 Seiten und kostet 39,90 Euro.

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