Die Geschichte des Wiener Stadthallenturniers und der Spezialtrikots: Teil 1 (1959 – 1975)
In den Lockdowns bleibt viel Zeit, an vergangene Zeiten zu denken. Unverweigerlich denken viele Fußballfans dabei an die Zeit, als der Bandenzauber nach den Weihnachtsfeiertagen zahlreiche Fans in die Stadthalle lockte. Der Duft nach Popcorn und Zigarettenrauch, die Fanblocks von Rapid und Austria in den obersten Ecken der Halle D, die sich aufgrund der eingezogenen Decke gar nicht zu Gesicht bekamen. Ein regelmäßiges „Macht sie alle, schießt sie aus der Halle!“, das in den Jahren der Kommerzialisierung ironisch mit einem „Defense, Rapid, Defense“ seitens der Anhänger der Hütteldorfer gepaart wurde. In diesem Rahmen gab es am Parkett auch zahlreiche Sondertrikots zu sehen – ein Rückblick auf 50 Jahre Wiener Stadthallenturnier.

Gerd Müller vom Turniersieger Bayern München mit Peter Grosser von Gerngross Austria Salzburg
© Imago/Werek
Das Highlight nach den Weihnachtsfeiertagen
Das Turnier am Vogelweidplatz ist für die Generation bis 60 oder 70 wohl für einen wohltuenden Ausgleich nach den stressigen Weihnachtsfeiertagen in Erinnerung geblieben. Die ersten Ausgaben fanden jedoch noch im Februar statt: Vom 05. bis 18. Februar 1959 fand die Premiere am Parkett statt. Erst 1973 fand das Turnier direkt nach den Weihnachtsfeiertagen statt, und wurde quasi zur Indoor-Parallelveranstaltung gegen die Vierschanzentournee der Skispringer.
In einer Ausgabe von Forza Rapid im Jahr 2017 habe ich meine Befindlichkeiten unter dem Titel „Gebt uns das Stadthallenturnier zurück“ niedergeschrieben. Realistisch gesehen wird es die Rückkehr auf das Parkett aber in Zeiten von einer (zu) hohen Anzahl an Spielen und der Verletzungsgefahr leider nicht mehr geben. Umso mehr ein Grund, auf die schönen Zeiten zurückzublicken.
Der Start im Jahr 1959
Es gibt einen Namen, der bis in alle Ewigkeit mit dem Stadthallenturnier verbunden bleiben wird: Josef „Pepi“ Argauer. Der Teamchef entdeckte bei der WM 1958 in Schweden als österreichischer Teamchef den Hallenfußball und wurde anfangs eher belächelt. Doch rasch war die Neuheit beim Wiener Fußballanhang beliebt, über die Jahrzehnte hinweg nahm der Wiener Hallenkick eine international anerkannte Stellung ein. Das erste Spiel bestritten die Wiener Austria und der Wiener AC. Die Austria, die später auch das Turnier gewann, siegte knapp mit 7:6. Die weiteren Teilnehmer waren Rapid und Simmering.
Auch die Pokale wurden bereits in den ersten Jahren großzügig gesponsert (Bewerbssponsoren gab es allerdings erst bedeutend später), so war das 1961 von der Liesinger Brauerei der Fall, wie das nahezu ausschließlich mit Werbung befüllte Programm aus diesem Jahr zeigt. 1964 wurde bereits um den Pokal der Internationalen Gartenschau gespielt:






Anfängliche Dominanz des Wiener Sportclubs und die grün-weiße Abwesenheit
Was heute nicht mehr wirklich bekannt ist: Die Wiener Austria dominierte nicht von Beginn an am Vogelweidplatz. Die ersten Jahre wurden besonders vom Wiener AC (Sieger in den Jahren 1960 + 1961) und in weiterer Folge vom Wiener Sportclub dominiert, Rapid ließ in den Anfangsjahren oftmals aus (1962 sowie von 1966 bis 1969). Erst 1983 wurde die Wiener Austria mit dem neunten Titel zum Rekordsieger des Turniers – und blieb es bis zur letzten Ausgabe 2009.

Das Regelwerk in den Anfangsjahren
Das Regelwerk liest sich rückblickend amüsant. Und was überrascht: Es gab eigens für dieses Turnier eingesetzte Torrichter. Und ganz wichtig: Es musste mit Basketballschuhen gespielt werden. Die folgenden Spielregeln für Hallen-Fußball stammen aus dem Jahr 1961, einige Dinge änderten sich im Laufe der Jahre:
- 1. Gespielt wird mit 6 Spielern. 5 Feldspieler und 1 Tormann. Austauschspieler: 5 Feldspieler und 1 Tormann. Der Austausch kann beliebig oft durchgeführt werden.
- 2. Die Größe des Spielfeldes beträgt 60 x 30 m. Es wird mit Banden gespielt.
- 3. Die Spielzeit beträgt 2 x 20 Minuten
- 4. Es gibt kein Abseits.
- 5. Es gibt keinen Schußkreis, sondern nur einen Strafraum. Vergehen im Strafraum werden mit 7-m-Strafstößen geahndet. Der Strafraum beträgt 10 m im Halbkreis.
- 6. Es werden Spezialtore verwendet, 5 m breit, 2,10 m hoch.
- 7. Wird der Ball über die Bande geschossen, gibt es nur einen Outeinwurf, egal ob der Ball über die eigene Torlinie gestoßen wird.
- 8. Gespielt wird mit Basketballschuhen
- 9. Für Vergehen wie Kritisieren oder Foulspielen gibt es nur Zeitausschlüsse von 3 bis 5 Minuten. Spielerinsultierungen und Schiedsrichterbeleidigungen ziehen den Ausschluß aus der Konkurrenz nach sich.
- 10. Bei jedem Tor ist ein Torrichter postiert, der einen erzielten Treffer durch Heben einer Fahne anzeigt, ebenso alle Seitenouts.
- 11. Der Spieleraustausch kann nur in der eigenen Hälfte, bei der Mittellinie erfolgen. Erst wenn der eine Spieler den Platz verlassen hat, kann der Ersatzmann einspringen.
- 12. Die Betreuerbänke haben bei der Mittellinie der eigenen Spielhälfte zu stehen. In der Pause werden die Bänke getauscht.
- 13. Bei Freistößen Abstand vom Tatort 5 m.
- 14. Bei einem Torout kann der Torhüter ausschießen oder auswerfen, wobei die Gegner sich außerhalb des Strafraumes befinden müssen.
- 15. Es wird mit normalen Matchbällen gespielt.
Internationale Stargäste: Als Kaiser Franz das Parkett betrat
Gerade in den Anfangsjahren war das Turnier von den bekannten Wiener Lokalrivalen geprägt. Mit der Zeit wurden aber auch internationale Gäste am Vogelweidplatz begrüßt. Den Anfang machte 1968 Vojvodina Novi Sad. Die Jugoslawen holten jedoch keinen einzigen Punkt. Nachdem es im Jahr 1970 kein Turnier gab, gab es 1971 sowohl im Februar (als „Stadthallenturnier 1970“) als auch im Dezember (als „Stadthallenturnier 1971“) einen Bewerb. Im Februar gewann mit Austria Salzburg erstmals eine Nicht-Wiener-Mannschaft, im Dezember dann bei einem Drei-Tages-Turnier mit dem FC Bayern München mit Franz Beckenbauer und Gerd Müller erstmals eine ausländische Mannschaft – das gab es nur ein weiteres Mal in der Geschichte des Turniers. Nach dem Erfolg der Bayern wurde 1972 Dynamo Kiew eingeladen, der Sieger lautete jedoch erstmals Rapid. 1975 beehrte der Münchner Stadtrivale 1860 die Stadthalle, wurde jedoch nur Gruppenvierter und erreichte nicht die Finalspiele.

© FC Bayern München
https://fcbayern.com/de/club/historie/trikots-seit-1965
Die Trikots auf dem Parkett
Es war noch die Zeit, als Trikots mehrheitlich – gerade im Winter, wo immer das Turnier stattfand – langärmelig waren. Wohl auch aus Angst vor Schürfwunden trugen Gerd Müller und Peter Grosser auf dem Foto oben exemplarisch die Langarmversionen. Besondere Trikots oder Sponsoren waren bis 1975 noch nicht der Fall – eine Ausnahme gab es dann aber doch: Rapid spielte 1975 mit dem Aufdruck der Zentralsparkasse. Deren Sponsoringvertrag lief eigentlich bereits im Sommer 1974 aus, in der Stadthalle gab es bei Rapid und einigen anderen Teams jedoch zumeist abweichende Sponsoren.
Dazu gibt es viel mehr in Teil II + III zur Geschichte des Turniers zu erzählen – diese folgen in den nächsten Tagen. Im zweiten Teil werden die Jahre von 1976 bis 1990 behandelt, als die Wiener Austria nahezu ein Solo auf dem Parkett hinlegte und Sondersponsoren ihre Hochzeit hatten.
Verwendete Quellen:
Offizielle Turnierprogramme des Wiener Stadthallenturniers
Bundesliga Journal „Die 2000er“
austriasoccer.at
Diverse Tageszeitungen von 1959 bis 2009, uA Arbeiter-Zeitung, Kurier, Kronen-Zeitung
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